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Renovierung

Die Rettung eines Wallfahrtsortes

HAGENMÜLLER, Carolin. Die Rettung eines Wallfahrtsortes. LandesECHO: Zeitschrift der Deutschen in der Tschechischen Republik. Prag: Landesversammlung der deutschen Vereine in der Tschechischen Republik e. V., 2017, Jahrgang 4(Nr. 8), 26-27.

Restauriertes Gnadenbild in der GnadenkapelleMaria Kulm war einst der größte und bekannteste Wallfahrtsort in Westböhmen. Der Ort liegt zwischen Eger und Falkenau. In früherer Zeit pilgerten das ganze Jahr hindurch Wallfahrer von überall her nach Maria Kulm, ganz besonders zum Pfingstfest.

Eine Legende besagt, dass einst ein junger Fleischerhauergeselle aus Falkenau an der Stelle der heutigen Kirche eine Marienstatuette in einem Haselstrauch fand. Er nahm die Statue mit, aber diese kehrte wieder an dieselbe Stelle zurück. So errichtete der Jüngling schließlich ein einfaches Schutzdach über dem gar wundersamen Marienbild und die „Geschichte“ über Maria Kulm und der wandelnden Marienstatuette ging überall herum. Mit dem Bekanntwerden der Statue und dem Bau des Schutzdaches strömten dann auch gleichzeitig Scharen von Schaulustigen, recht schnell aber auch von Gläubigen aus Nah und Fern, an diesen heiligen Ort. Alle wollten die Marienstatuette bestaunen, sehen und an ihr beten.

Die Statue selbst stellt die Jungfrau Maria auf einem Stuhl sitzend dar, in der rechten Hand einen Apfel haltend und in der linken Hand ein Kind, das mit beiden Händen nach dem Apfel greift. Sie soll aus dem 9. Jahrhundert stammen. Belegt ist zumindest, dass der Ort anno 1341 erstmals urkundlich erwähnt wurde, möglicherweise stammt er aber sogar schon aus vorchristlicher Zeit.

Die ersten Kreuzherren

Im Jahre 1383 wurden für die Wallfahrtsstätte bereits zwei Priesterstellen gestiftet, die durch Kreuzherren mit dem Roten Stern besetzt wurden, und neben der Kirche entstanden bereits die ersten Wohnhäuser. Im Laufe der Zeit wurde das Dach über der Marienstatue immer weiter ergänzt und neue Gebäude dazu gebaut, umgebaut, angebaut und so entstand langsam die komplette Anlage der Wallfahrtskirche von Maria Kulm.

Die Priester waren die ersten belegten Kreuzherren in Maria Kulm. Sie sollten nicht die letzten bleiben. Das Wappen der Kreuzherren mit dem Roten Stern findet man noch heute in Kulm und ganz Böhmen, denn sie haben sich überall dort, wo sie bauen ließen, auch immer mit ihrem Zeichen einem roten Stern in Verbindung mit einem rotem Kreuz, verewigt.

Zunächst entstand in Maria Kulm eine kleine Holzkirche, die allerdings 1429 während der Hussitenkriege niedergebrannt wurde. Sie wurde aber umgehend wiedererrichtet und bei der Gelegenheit sogar ausgebaut. Mit der Zeit wechselten sich so einige Gebäude über dem Marienbild ab, bis dann endlich Anfang des 16. Jahrhunderts Heinrich von Reißengrün die steinerne Wallfahrtskirche der Himmelfahrt der Jungfrau Maria und Maria Magdalena darüber errichten ließ.

Ein rascher Aufstieg

Der blühende Wallfahrtsort Maria Kulm auf einem Bild Wenzel Wirkners in der Gnadenkapelle1651 erhob Erzbischof und Großmeister Ernst Adalbert von Harrach Kulm zum eigenständigen Marktflecken und gleichzeitig verlieh er dem aufstrebenden Städtchen das Recht zum Tragen eines eigenen Wappens. Ernst Adalbert von Harrach war ein aus Wien stammender österreichischer Adeliger und der damalige Erzbischof des Erzbistums Prag, sowie Fürstbischof des Bistums und außerdem Kardinal von Trient. Er war in Zeiten der Gegenreformation gegen die Vertreibung der Nichtkatholiken, wollte den Protestantismus beseitigen, nicht jedoch die Protestanten. Diese wollte er umschulen und durch kulturelle und künstlerische Bildung zum katholischen Glauben zurückführen. Dadurch sollte sich auch gleichzeitig die Zahl der Geistlichen erhöhen und der katholische Glaube weiter verbreiten.

1666 errichteten die Kreuzherren südöstlich der Kirchenanlage von Maria Kulm eine Kommende, also eine Niederlassung der Kreuzherren, um das gesamte Areal der Wallfahrtskirche besser und einfacher verwalten zu können. Durch die Ernennung des Erzbischofes und Großmeisters der Kreuzherren mit dem Roten Stern, Johann Friedrich von Waldstein, erfolgte die Erhebung der Pfarrei zur eigenständigen Propstei.

Anno 1690 begann der Bau der barocken Wallfahrtskirche nach Plänen des Baumeisters Christoph Dietzenhofer, Vollendet wurde der Komplex Maria Kulm im Jahre 1728. Die Kirche selber ist eine hochbarocke Emporenbasilika mit angedeutetem Querhaus, einem eingezogenen Chor und einer Portalfassade mit zwei Türmen. Die Fresken im Inneren der Kirche wurden von dem in Tachau geborenen bekannten Maler Elias Dollhopf kunstvoll ausgeführt.

Die Kapelle der Vierzehn Nothelfer

Der Wallfahrtsort wächst

1708 wurde in Maria Kulm der Kreuzgang mit seinen 6 Kapellen angebaut. Die „Kapelle der Heiligen Familie“, die „Kapelle der Heiligen Drei Könige“, die „Mutter-Gottes-Kapelle“, die „Kapelle der heiligen Agnes“, die „Kapelle der Vierzehn Nothelfer“ und die „Kapelle der böhmischen Landespatrone“.

Der alte Flecken Kulm wurde früher oft auch als Rauenkulm bezeichnet. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wuchsen die beiden Orte Maria Kulm und Rauenkulm zu einem Ort zusammen. 1877 bis 1908 wurde der gesamte Komplex Maria Kulm umfassend saniert und Maria Kulm wurde zu einem der größten Wallfahrtsorte in Böhmen. Gläubige, Gäste und Besucher kamen von überall her. Bis weit ins 20. Jahrhundert pilgerten jedes Jahr zehntausende Menschen zur Wallfahrtskirche, sodass Maria Kulm einst zu den meistbesuchten Wallfahrtsorten im heutigen Tschechien gehörte.

Niedergang und Rettung

Kreuzgang um die KircheNach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Kreuzherren durch die Behörden der Tschechoslowakei enteignet und vertrieben, ebenso erging es fast allen im Ort ansässigen Deutschen. Der offizielle Name des Dorfes wurde in Chlum nad Ohří geändert. Die Anlage Maria Kulm diente als Wohnort, sowie als Aufbewahrungsort für sakrale Kunst und verfiel langsam immer mehr. Zwar wurden 1958 die Wallfahrtskirche und das gesamte dazugehörige Areal in die Liste der Kulturdenkmäler aufgenommen, aber auch das kümmerte niemanden und die Anlage verfiel weiter. Erst am Ende des 20. Jahrhunderts, als von Maria Kulm fast nur noch Ruinen übrig waren, geschah das Wunder, an das keiner mehr geglaubt hatte, denn das Areal wurde den Kreuzherren wieder rückübereignet.

Wallfahrtskirche Maria Kulm

Vom ehemaligen Glanz oder gar von der Ehrfurcht dieser einst so eindrucksvollen und prächtigen Wallfahrtskirche war nichts mehr übrig. Maria Kulm war zerstört und es stand eigentlich nur noch in Resten als ein Haufen geschändeter Schutt in der Landschaft. Fast alle dachten, dass das Ende von Maria Kulm besiegelt sei. Dennoch wurde damit begonnen, Maria Kulm in unzähligen kleinen Schritten, welche Unsummen an Geld verschlingen sollten, wieder aufzubauen. Dafür fanden sich Spender weltweit.

So konnten beispielsweise 2004 die Orgel renoviert und das Dach der Propstei teilweise erneuert werden. Vier Jahre später erfolgte die Wiederherstellung und Restauration des siebenteiligen Bilderzyklus, welcher in der Gnadenkapelle zu sehen ist. Die um 1900 geschaffenen Bilder des aus Karlsbad stammenden Künstlers Wenzel Wirkner wurden durch die aus Deutschland stammenden Restauratorin Annette Kollmann völlig und mühsam überarbeitet und wiederhergestellt.

Insgesammt 100 000 Euro kostete die umfangreiche Aufarbeitung und Rekonstruktion der Kuppel, die 2008 erfolgte. 2009 wurden die Kirchenwände, die Freskomalereien, die Decke der Kirche und die der Propstei renoviert. Die Kosten in Höhe 1,1 Milionen Euro trugen die sogenannten Norwegischen Fonds. Die Aufbereitung des Kirchenschiffs wurde 2011 abgeschlossen und im Mai 2011 wurde die Kirche „Mariä Himmelfahrt“ nach umfangreichen Renovierungsarbeiten in Rahmen eines Dekanatstages feierlich eröffnet.

2012 wurde beschlossen, dass die Stuckdecke im ersten Stock der Propstei renoviert werden soll. Dafür war ein Budget von 80 000 Euro vorgesehen. Die Entwässerungsanlagen, die sich rund um die Kirche befinden, wurden 2013 erneuert. 2014 begannen Gespräche mit der Europäischen Union, die die weitere Renovierung der Kirche mit Fördermitteln unterstützen soll.

Fast der alte Glanz

Deckenfresken in der KircheMaria Kulm ist so heute wieder als großzügig angelegter Komplex erkennbar, bestehend aus der eigentlichen Wallfahrtskirche, sowie dem Umgang und dem sich an dessen Längsseiten anschließenden Propsteigebäude.

Der bereits renovierter Teil des Kreuzganges

Der Innenraum der Wallfahrtskirche ist sichtbar untergegliedert in das sogenannte Hauptschiff und die westlich vorgelagerte Gnadenkapelle. Es handelt sich um zwei sehr unterschiedliche und auch funktional eigenständige Räume in einem in sich geschlossenen Außenbau.

In die Gnadenkapelle führt das Hauptportal und über ihre zwei seitlichen Ausgänge gelangt man in das Hauptschiff. Die Gnadenkapelle unterteilt sich in ihrem Inneren durch acht korinthische Pilaster. Auf den Pilastern sind Statuen biblischer Gestalten aufgestellt, unter ihnen Joseph mit dem Jesuskind, König David und Johannes der Täufer.

Der Grundriss der Kirche hat die Form eines lateinischen Kreuzes. Man betritt den Kirchenraum durch die Seitenschiffe. Er ist üppig mit Skulpturen ausgeschmückt, die aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stammen. In dieser Zeit wurden auch die Beichtstühle und das Kirchengestühl angeschafft. Im nördlichen Seitenschiff befindet sich ein spätgotisches Kruzifix aus der Zeit um 1500.

Maria Kulm

Ein langer Weg

Es wird noch Jahrzehnte dauern, bis Maria Kulm wieder vollständig renoviert ist. Aber es wird wohl niemals wieder so werden, wie es vor 1945 einmal war, denn dafür war Ende des 20. Jahrhunderts, als die Kreuzherren dieses Kleinod als Ruine zurück erhielten, bereits zu viel zerstört.

Fahren Sie doch selbst einmal nach Maria Kulm, vielleicht zum jährlich wiederkehrenden Egerländer Gebetstag, zu Ostern, zu Pfingsten, zu Weihnachten oder einfach nur an einem Sonntag. Lassen Sie den Zauber von Maria Kulm auf sich wirken und genießen Sie die stille Ruhe und die Geborgenheit.

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